Documenta / Ausstellung 1948 – Wie der Staat Israel entstand: Zwei Ausstellungen mit doppelten Standards


Die Leugnung der Shoa ist in Deutschland ein Straftatbestand. Die Leugnung der Nakba findet dagegen mit staatlicher Zustimmung und Unterstützung statt.

In der Antisemitismusdebatte zur Documenta reichten zwei Zeichnungen auf einem Wimmelbild Künstlerkollektiv Ruangrupa und ein weiteres auf einer Video-Installation der Initiative „Archives des luttes des femmes en Algérie“ um ein Skandalgeschrei in den Medien auszulösen. Seit 2018 wird in Deutschland die Ausstellung (Ausstellung 1948 – Wie der Staat Israel entstand). In dieser wird in grotesker Weise die Nakba, das Trauma der Palästinenser geleugnet.

Tafel 25 der Ausstellung trägt den Titel „Die arabischen Flüchtlinge aus Palästina“. Dort werden folgende Fluchtgründe der Palästinenser genannt:

1. Generelle Angst vor Kriegsgefahren; 2. Aufrufe zur Flucht durch arabische Führer; 3. Angstpropaganda; 4. Soziokulturelle Aversion (religiös-konservative Muslime wollten nicht unter „Ungläubigen“ leben); 5. Rückkehr in die arabischen Heimatländer (Jahrzehnten vor Israels Staatsgründung eingewanderte Araber kehrten in ihre „Heimatländer“ zurück angesichts einer ungewissen Zukunft).

Insofern Quellen zitiert werden, geht es um Aussagen von Politikern oder Zeitungen ohne Namensnennung. Historiker sind nicht darunter. Die Quellen/Zitate datieren aus dem Jahr 1965 oder früher.  Diese 2018 anlässlich des siebzigjährigen Bestehens des Staates Israel konzipierte Ausstellung lässt die in Israel unter den sog. „neuen Historikern“ geführte Debatte, die in erster Linie das Thema „Vertreibung der Palästinenser“ zum Gegenstand hatte, völlig außer Acht.

Der fachhistorische Streit kreist nicht um die Frage, ob die Vertreibung von ca. 750.000 Palästinensern durch die Israelis verursacht wurde. Vielmehr geht es um die Frage ob diese als eine Begleiterscheinung der militärischen Auseinandersetzungen kriegsbedingt, aber nicht planmäßig stattfand (so der israelische Historiker Benny Morris), ob es sich um wissentlich und willentlich ins Werk gesetzte Politik der israelischen Entscheidungsträger handelte (so der amerikanische Politikwissenschaftler Norman Finkelstein)  und ob dabei offener Terror gegen die Zivilbevölkerung planmäßig zum Einsatz kam (so die palästinensischen Historiker Saleh Abdel Jawad und Masalha Nur).

Dennoch äußerte Felix Klein, Schirmherr der Ausstellung „als Beauftragter der Bundesregierung“, die Ausstellung vermittle „fundiertes Wissen, klärt auf und leistet so einen sehr wirksamen Beitrag gegen Antisemitismus.“ Ausstellungsbeirat Volker Beck, inzwischen Präsident der Deutsch Israelischen Gesellschaft, ließ sich so vernehmen:   

Die Ausstellung zeigt eindrucksvoll: Israels Gründung als jüdischer und demokratischer Staat, als Heimstatt der Juden mit gleichen Rechten für alle seine Bürger ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht, war von Anfang an auf Koexistenz und ein friedliches Miteinander angelegt. Die Tragödie der Palästinenser ist weitgehend einer arabischen Politik geschuldet, die Israels Existenz ablehnte und die Angebote zu einem friedlichen Miteinander immer wieder ausgeschlagen hat.“

Jüdische Gemeinden und die Deutsch Israelische Gesellschaft zeigen die Ausstellung (auch in Schulen) und werden dabei von staatliche Repräsentanten unterstützt. Zuletzt wurde die Ausstellung im Justizpalast in Nürnberg gezeigt. Dr. Thomas Dickert, Hausherr im Justizpalast und Präsident des Oberlandesgericht Nürnberg, angesprochen auf die Darstellung der Nakba, antwortete: „Die bayerische Justiz hat sich damit allerdings nicht jedes Detail des Ausstellungsinhalts zu eigen gemacht.“ Die Antwort auf die Rückfrage „Würden Sie denn in ähnlicher Weise von einem zu vernachlässigenden Detail sprechen, wenn in einer Ausstellung die Shoa geleugnet oder relativiert würde?“ steht noch aus.

Die Leugnung der Shoa ist in Deutschland ein Straftatbestand. Die Leugnung der Nakba findet dagegen mit staatlicher Zustimmung und Unterstützung statt. Mit vergleichbaren Ungenauigkeiten im Detail, würden sie die Shoa oder israelbezogenen Antisemitismus betreffen und nicht die Nakba und palästinenserbezogenen Rassismus, könnte man mehrere bundesweite Skandal-Debatten munitionieren. Die Leugnung der Nakba ist ja nur ein Detail, das in der besagten Ausstellung in geschichtsklitternder Weise zur Darstellung kommt.

Mit vergleichbaren Ungenauigkeiten im „Detail“, würden sie die Shoa oder israelbezogenen Antisemitismus betreffen und nicht die Nakba und palästinenserbezogenen Rassismus, könnte man mehrere bundesweite Skandal-Debatten munitionieren. Die Leugnung der Nakba ist ja nur ein Detail, das in der besagten Ausstellung in geschichtsklitternder Weise zur Darstellung kommt. Diesselben Akteure, die sich mit Forderungen nach Rücktritten und Abbruch der Documenta überbieten, verantworten eine Ausstellung, in der palästinenserbezogener Rassismus in seiner übelsten Variante zum Ausdruck kommt, in der das Kollektive Trauma der Palästinenser nicht nur geleugnet, sondern dieses als von den Palästinensern verschuldet dargestellt, also mit einer Täter-Opfer-Umkehr verbunden wird.