Von Israel verantwortete Apartheid wird in Deutschland gerne abgelehnt. Was fehlt ist eine sachliche Begründung
In einer Pressemitteilung der hessischen Staatskanzlei vom 31.5. werden Äußerungen des hessischen Antisemitismus-Beauftragten Uwe Becker zitiert, die unsere Veranstaltung in den Kontext (aus Sicht Beckers) antisemitischer Manifestationen in Deutschland stellen. Da Herr Becker über ein in der Zukunft liegendes Ereignis redet und kein einziges Argument in der Sache vorträgt, schließen wir: Für ihn ist die Thematisierung von Apartheid im Zusammenhang mit den Herrschaftspraktiken Israels an und für sich Ausdruck von Antisemitismus und Judenfeindlichkeit.
Dazu ist zunächst zu bemerken: Im Laufe des letzten Jahres haben insgesamt sechs renommierte Organisationen Berichte zu Apartheid in den von Israel beherrschten Gebieten vorgelegt. Diese sehen den Tatbestand der Apartheid erfüllt, entweder für Israel-Palästina insgesamt (BTselem und Amnesty International) oder beschränkt auf die besetzten Gebiete (Human Rights Watch, Yesh Din, der UN-Menschenrechtsrat und die IHRC Harvard Law School). Der auf unserer Veranstaltung diskutierte Bericht von Amnesty International (AI) im Januar dieses Jahres war der Fünfte in dieser Serie. Im Februar kam die Studie der Harvard Law School dazu.
Apartheid ist ein Rechtsbegriff des Völkerrechts. Die Gültigkeit der von Amnesty und in den anderen Berichten dargelegten Befunde ist an dem Maßstab zu messen, der sich aus den relevanten Rechtsquellen ergibt: Der Rassendiskriminierungskonvention von 1965, der Anti-Apartheidkonvention von 1974 und aus Artikel 7 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) von 1998.
Die bisherigen Stellungnahmen der Bundesregierung , wie z.B. die Auslassungen des Hessischen Antisemitismusbeauftragten Uwe Becker und die meisten Darstellungen in den Medien sind sachlich unbegründet, weil sie jeden Bezug auf die Definitionen des Völkerrechts vermissen lassen. Insbesondere der Einwand, der AI-Bericht leiste dem Antisemitismus „unfreiwillig Vorschub“ ist abwegig. Wenn schon, dann leisten die Menschenrechtsverletzungen der Kategorie „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ dem Antisemitismus Vorschub und nicht wissenschaftliche Berichte darüber. Als ein solches ordnet das Völkerrecht Apartheid ein.
Auch in liberalen Medien (wenn wir davon in Deutschland noch reden können) dominiert ein spezieller Umgang mit dem Thema Apartheid. Man meint dem Problem durch umso heftigeres Herumfuchteln mit der Antisemitismuskeule begegnen zu können ohne auch nur ein einziges Argument in der Sache abzuliefern. Beispiele für diese Sorte Optimierungskünstler, die es schaffen auf der Basis eines Minimus an Ahnung und Information ein Maximum an Meinung auszubilden sind die Journalisten Jan Feddersen (TAZ) und Sascha Lobo (SPIEGEL).