Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am 18. März 2008 in ihrer vielzitierten Rede im israelischen Parlament:
„Gerade an dieser Stelle sage ich ausdrücklich: Jede Bundesregierung und jeder Bundeskanzler vor mir waren der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels verpflichtet. Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar, und wenn das so ist, dann dürfen das in der Stunde der Bewährung keine leeren Worte bleiben.“ [1]
Zum Zeitpunkt der Rede waren die internationalen Verhandlungen über ein Atomabkommen mit dem Iran sechs Jahre alt. Sie sollten 2015 zu einem, wie sich inzwischen erwiesen hat – vorläufigen – Abkommen führen. Merkels Aussage steht im Kontext der Bedrohung Israels durch das iranische Atomprogramm. Auch die zugesagte und inzwischen teilweise realisierte Hilfe bezieht sich darauf: Die aus dem deutschen Staatshaushalt subventionierte Lieferung von nuklear aufrüstbaren U-Booten, die das militärische Abschreckungs- und Angriffspotential Israels erhöhen. Weitere Konsequenzen etwa im Sinne eines völkerrechtlich verbindlichen und damit auch verfassungsrechtlich belastbaren Bündnisvereinbarung wurden nicht gezogen. Die Befürchtungen Helmut Schmidts, der Merkel hier scharf kritisierte, eine Konsequenz könnte darin bestehen, deutsche Soldaten im Fall eines Kriegs Israel-Iran nach Nahost schicken zu müssen, erscheinen deswegen unbegründet. [2]
Merkels Wortwahl aus dem Mund eines deutschen Regierungschefs war neu, sie steht insofern in rhetorischer Hinsicht nicht in der Kontinuität deutscher Israelpolitik aller Bundesregierungen. Das macht Helmut Schmidts Kritik deutlich.[3] Die Rede von der Sicherheit Israels als Teil deutscher Staatsräson aus historischer Verantwortung gehört seit Merkels Auftritt in der Knesset zum Standard-Repertoire ritualisierter Reden zum Nahostkonflikt. Den Mut dem Wahlvolk zu erläutern, was diese Rede im konkreten Fall bedeuten könnte, wäre sie denn für bare Münze zu nehmen, hat dabei niemand.
[1] „Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel vor der Knesset am 18. März 2008 in Jerusalem“, https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/bulletin/rede-von-bundeskanzlerin-dr-angela-merkel-796170
[2] „Nahost-Politik – Helmut Schmidt kritisiert Merkels Israel-Politik“, https://www.tagesspiegel.de/politik/nahost-politik-helmut-schmidt-kritisiert-merkels-israel-politik/1806452.html, 2.04.2010
[3] Rudolf Dreßler sprach am Ende seiner Amtszeit als deutscher Botschafter in Israel von Staatsräson: „Die gesicherte Existenz Israels liegt im nationalen Interesse Deutschlands, ist somit Teil unserer Staatsräson Rudolf Dreßler, Gesicherte Existenz Israels – Teil der deutschen Staatsräson“, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), (2005) 15.