Die juristischen Siege des Henryk Broder


Zweimal gewonnen gegen Wehrlose, die nicht über Meinungsfreiheit verfügen

Henryk Broder hat in den letzten Tagen in zwei Fällen Siege vor Gericht errungen. In beiden Fällen geht es Amtsträger bzw. staatliche Institutionen, die aus guten Gründen nicht über ein Recht auf Meinungsfreiheit verfügen, weil sie die Grenzen der „Äußerungsbefugnis von Amtsträgern“ respektieren müssen.

1. Fall:

Broder klagte erfolgreich gegen folgende Äußerung im Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit der Bundesregierung „Muslimfeindlichkeit – Eine deutsche Bilanz 2023“:

So machte sich beispielsweise der Autor des Artikels „Im Mauseloch der Angst“ (G…) für eine uneingeschränkte Anwendung der Meinungsfreiheit stark, während er Aufrufe zur Deeskalation und Rücksichtnahme offen verhöhnte und Muslim*innen pauschal als unwissende, ehrversessene, blutrünstige Horden dämonisierte

Der Bericht war auf der Internetseite des Bundesinnenministeriums (BMI) nachzulesen, wurde inzwischen a.G. der Klage Broders aus der Homepage des BMI entfernt, die Print-Ausgabe hat man eingestampft.

2. Fall:

Die baden-württembergische Landesvertretung in Berlin weigerte sich eine Veranstaltung des  „Transatlantischen Forums“ – wie zunächst geplant – in ihren Räumlichkeiten zu gestatten. Neben Trump-Unterstützer Lindsey Graham sollte an dieser Broder als Referent mitwirken.

Begründung:

Nachdem uns der Veranstalter die weiteren Referenten des ‚Transatlantischen Forums‘ am 31.8. genannt hat, werden wir vom Mietvertrag zurücktreten und die Veranstaltung nicht bei uns stattfinden lassen (…) Die nun genannten Referenten weisen eine starke Nähe zur AfD auf. Die Veranstaltung ist daher dazu geeignet, das Ansehen der Landesvertretung zu beschädigen.“

Was in der Berichterstattung über beide Fälle nicht immer klar herausgearbeitet wurde: Die zitierten Aussagen sind nicht rechtswidrig, weil sie dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung per se widersprechen, sondern weil sie von Amtsträgern in amtlicher Funktion getätigt wurden. Amtsträger haben bei amtlichen Äußerungen keine Meinungsfreiheit, wohl aber dann, wenn sie sich nicht in amtlicher Funktion äußern.

Dies ergibt sich aus einem Urteil zu einem anderen Verfahren. Claudia Roth (damals Vize-Präsidentin des Bundestags) sagte 2019 in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen:

„Auch ich versuche immer wieder, gegen Drohungen und Beleidigungen juristisch vorzugehen…. Wir dürfen nicht aufhören, das Thema in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Wir müssen die Stichwortgeber benennen, all diese neurechten Plattformen, deren Geschäftsmodell auf Hetze und Falschbehauptungen beruht – von Roland Tichy über Henryk M. Broder bis hin zu eindeutig rechtsradikalen Blogs.“

Dagegen klagte Roland Tichy, nicht aber der etwas prozesserfahrenere Henryk Broder.

Das Gericht wies die Klage mit folgender Begründung ab:

Die streitbefangene Äußerung sei nach ihrem Aussagegehalt und dem Kontext, in dem sie gefallen ist, nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Meinungsäußerung einzustufen (…) Schließlich sei die Beklagte in ihrem Äußerungsrecht auch nicht durch ihr Amt als Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages eingeschränkt. Das Interview der Beklagten vom 20. Oktober 2019 sowie die konkrete streitgegenständliche Äußerung hätten nach der Betrachtung des unbefangenen Lesers nicht das von Claudia Roth bekleidete Amt, sondern Anfeindungen im Internet gegen ihre Person als Frau und Grünen-Politikerin zum Gegenstand.

Broder hat mit RA Steinhöfel einen Anwalt, der ganz gezielt rechtlich angreifbare Äußerungen von Amtsträgern in amtlicher Funktion aufgreift. In der Berichterstattung wird nicht deutlich, dass es um Meinungsäußerungen geht, die für Normalbürger nicht rechtswidrig sind. Die harte Kritik von Claudia Roth, die als Person und nicht als Amtsträgerin von Hetze und Falschbehauptungen sprach, macht sehr deutlich, dass der Rahmen für Meinungsäußerungen sehr weit gesteckt ist.

Der Äußerungsbefugnis von Amtsträgern sind hingegen enge Grenzen gesetzt. Schon die negative Bewertung einer Veranstaltung kann einen „mittelbar-faktischen Grundrechtseingriff“  darstellen, wenn das „staatliche Informationshandeln das grundrechtlich geschützte Verhalten hinreichend gewichtig oder final beeinträchtigt (…) Das kann etwa der Fall sein, wenn Bürger durch den Aufruf eines Hoheitsträgers von der Teilnahme an einer Versammlung abgeschreckt werden “ – so der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einer Studie über „Politische Äußerungen von Hoheitsträgern“ (S. 6).

Mit solchen rechtswidrigen Äußerungen haben es andere am laufenden Band zu tun. Der Unterschied zu Broder: Sie klagen nicht.

Broder wird in einschlägigen Berichten von gewissen Medien wie ein Schneekönig lächelnd abgebildet, der eben eine Sechs im Lotto gewann. Hier wird weggelächelt, dass von ihm von jedermann gesagt werden darf, er verbreite Fake-News, er betreibe Hetze und er weise eine Nähe zur AFD auf. 

Als Mensch kann man kauf bescheidener sein – intellektuell, professionell und moralisch – wenn sich vor diesem Hintergrund Freude einstellt.  

 Helmut Suttor 


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