Offener Brief an die Podiumsteilnehmer Eröffnungsveranstaltung „Woche der Meinungsfreiheit“


Sie werden auf der Diskussionsveranstaltung im Römer auf dem Podium sitzen. Wir werden bei dieser Gelegenheit das Flugblatt „Einschränkung der Meinungsfreiheit auch in Frankfurt – nicht nur „hinten weit in der Türkei““ verbreiten.

Keine Sorge: Wir werden Ihre Veranstaltung nicht stören. Wir respektieren die von Ihnen als Veranstalter gesetzten Regeln.

In Ihrer „Charta der Woche der Meinungsfreiheit“ ist viel von der Bedeutung der Zivilgesellschaft für die Verteidigung dieses Grundrechts die Rede. Eine von Ihnen nicht kontrollierte Beteiligung der Zivilgesellschaft ist für die Auftaktveranstaltung nicht vorgesehen. Die Einbeziehung des Publikums wird vermieden. Das ist schade und unüblich.

Unser Flugblatt thematisiert die wissentlich und willentlich über einen Zeitraum von vier Jahren fortgesetzte, verfassungswidrige Einschränkung der Meinungsfreiheit durch Bürgermeister Uwe Becker. Magistrat und Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung duldeten diesen Verfassungsbruch in kollektiver Verantwortungslosigkeit. Diese Ereignisse in Frankfurt haben exemplarischen Charakter für die Zukunft der Meinungsfreiheit in Deutschland, besonders wenn es um die Themen Antisemitismus und Nahostpolitik geht.

Eine Beteiligung des Publikums an der Eröffnungs-Diskussion hätte nicht nur besser zu Ihrer Charta gepasst. Dies hätte auch die Chance geboten, Themen einzubringen, die übersehen wurden – aus welchen Gründen auch immer.  

Beispielsweise hätten wir Bundesinnenministerin Frau Faeser gerne gefragt, wie es sein kann, dass der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung Felix Klein eine „Nationale Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Lebender Bundesregierung vorstellte, in der das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG / 20.1.2022 / Az 8 C 35/20) zu den kommunalen Anti-BDS-Beschlüssen nicht einmal erwähnt wird. Herr Klein, ein Volljurist und einer der Hauptverantwortlichen für die verfassungswidrige Einschränkung der Meinungsfreiheit im Kontext dieser Beschlüsse, ist offensichtlich ein Stratege, für den die Kategorie Manöverkritik nicht zu existieren scheint. Das Urteil des BVerwG ist für ihn scheinbar der Fehler und nicht die von ihm mitverantwortete, von diesem Urteil als verfassungswidrig markierte Einschränkung der Meinungsfreiheit.

Frau Dr. Eskandari-Grünberg hätten wir gerne gefragt, wie sie es vereinbart mit Amt, Gewissen und Logik, als Dezernentin kommunale Programme zu fördern, mit dem Ziel muslimische Jugendliche für die Grundwerte unserer Verfassung zu gewinnen und andererseits dafür plädiert – wohlgemerkt nach dem Urteil des BVerwG – die Meinungsfreiheit dieser Zielgruppe in verfassungswidriger Weise einzuschränken. Es wird Aufgabe des Magistrates sein, zu schauen, wie an dem richtigen Beschluss festgehalten werden kann“ – so in der Jüdischen Allgemeinen am 9.6.2022. Also auch hier: Das BVerwG-Urteil ist der Fehler, nicht der Anti-BDS-Beschluss.

Herrn Prof. Dr. Friedmann hätten wir gerne gefragt, wie sich sein publizistisches und öffentliches Eintreten für eine Kultur des Streits und des Dialogs verträgt, mit dem Umstand, dass er sich zur hier thematisierten Einschränkung der Meinungsfreiheit über mehrere Jahre nicht öffentlich äußerte. Meinungsfreiheit ist schließlich die Voraussetzung für Streit- und Dialogkultur, die diesen Namen verdient. Vielleicht haben wir etwas übersehen. Uns scheint, ein Statement aus zivilgesellschaftlicher Verantwortung wäre angezeigt, nicht nur im Interesse eigener Glaubwürdigkeit, sondern insbesondere auch angesichts der Frontalangriffe auf das BVerwG-Urteil in der Jüdischen Allgemeinen durch Uwe Becker, Frau Eskandari-Grünberg (s.o) und durch den Zentralratsvorsitzenden Dr. Josef Schuster. Herr Schuster bekleidet sein Amt nunmehr seit 2014. In dieser Zeit ist es ihm nicht gelungen Antisemitismus als rechtliches Problem grundgesetz-kompatibel einzuordnen. Herrn Friedmanns Wort hat – auch ohne Amt – in der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland vermutlich immer noch ein größeres Gewicht, als die Stimme des einen oder anderen Amtsträgers im Zentralrat.  

In Ihrer Charta schreiben Sie:

„Die Zivilgesellschaft trägt die Verantwortung, für die Meinungsfreiheit einzutreten, Einschränkungen der Meinungsfreiheit kenntlich zu machen und ihnen wirksam entgegenzutreten.“

Wie Sie sehen, nehmen wir diese Verantwortung ernst – wir hoffen, Sie tun das auch.

Freundliche Grüße

Mohammed Gahnem, Hasan Alzaanin,  Jehad Ahmad (Palästinensische Gemeinde Frankfurt), Wieland Hoban (Vorsitzender der Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost), Helmut Suttor, Herbert Kramm-Abendroth (Titania-Gruppe Frankfurt), Palästina-Forum Frankfurt

Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Helmut Suttor, Laubestr. 6, 60594 Frankfurt


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